die Welt wird fleißig.
Die Häßlichen werden geschlachtet,
die Welt wird schön.
Die Narren werden geschlachtet.
die Welt wird weise.
Die Kranken werden geschlachtet,
die Welt wird gesund.
Die Alten werden geschlachtet,
die Welt wird jung.
Die Traurigen werden geschlachtet,
die Welt wird lustig.
Die Feinde werden geschlachtet,
die Welt wird freundlich.
Die Bösen werden geschlachtet,
die Welt wird gut.
aus: Erich Fried: gesammelte Werke. Bd. 1. Wagenbach Verlag. München 1993, S. 565. © Claassen.
Das Wort schlachten wird verbunden mit vielen positiven Eigenschaften: Fleiß, Schönheit, Weisheit …
So unpassend das klingt, immer wieder tauchen Sätze auf, die sich auf Erfahrungen aus der Realität beziehen:
Häßliche stellen sich dem Chirugen, damit er sie schön macht. Die Geisteskranken und -schwachen (Narren) wurden getötet, damit nur Gesunde weiterleben sollten. Feinde sollen getötet werden, um die Welt sicherer erscheinen zu lassen. So überfällt man aus Angst vor Al Quaida Afghanistan.
Als das Schlachten die Welt lustig machen soll, spürt man den Wahnsinn, der dahinter steht.
Aber erst die letzte Zeile entlarvt die Versprechen von vorher als Zwecklügen. Wie kann Schlachten anderer Menschen die Welt gut machen?
Das Töten von Feinden hat ja seit Jahrtausenden seine Rechtfertigung gefunden und die bestand im Grunde immer darin, dass nur so die wünschenswerte gute Welt entstehen könne. Erst da, wo die Methode Schlachten direkt dazu führen soll, dass die Welt gut wird, da erst wird die Argumentation Der Zweck heiligt die Mittel ganz ad absurdum geführt. Erreicht wird es aber nicht allein durch die letzten beiden Zeilen, sondern dadurch, dass das Ergebnis dieser ständigen Schlachterei die Welt gut machen soll.
Es folgt eine Anregung von Herrn Dittrich (ursprünglich auf ZUM.de), wie man das Gedicht im Unterricht behandeln kann, und hier weitere Gedichte von Fried, über die nachzudenken sich lohnt.
Unterrichtsskizze
Medien
Kassette aufnehmen (Text unter „Hinführung und Motivation“), Gedichte auf
Folie (mit und ohne Lücken), OHW, Arbeitsblatt (AB)
1.Unterrichtseinheit (45 mm)
Hinführung/Motivation
Verschiedene Menschen beklagen sich:
— Die Menschen werden immer unfreundlicher! Kassette
— Die Menschen werden immer fauler!
— Die Menschen werden immer dümmer!
— Die Menschen werden immer unzufriedener! Lehrer schweigt
— Die Menschen werden immer böser!
Aussage dazu:
— Es ist höchste Zeit Maßnahmen zu ergreifen!
Zielangabe:
Lehrer zeigt auf Folie die Überschrift „Die Maßnahmen“. Folie mit
Lückentext
Textbegegnung:
Das Gedicht wird mit Lücken Vers für Vers gezeigt. Folie mit
Lückentext
Textanalyse
— Formbetrachtung:
Das Gedicht wird an die Schüler verteilt.
Es reimt sich nicht, trotzdem wissen wir, dass es ein
Gedicht ist!
— Inhalt:
Das Gedicht besteht aus zwei Teilen. Fasse sie jeweils AB/UG
in einem Wort zusammen.
Das Gedicht ist zweigeteilt:
• immer die gleiche Maßnahme,
• Absicht/Ziel der Maßnahme.
Maßnahmen Absicht/Ziel TA/Folie
— Gehalt:
Lies die Ziele noch einmal durch und besprich dich mit PA
deinem Partner. Was hältst du davon? Begründe!
Ziele: gut gemeint, sind aber nicht gut!
Lies die Maßnahmen noch einmal durch und besprich
dich mit deinem Partner. Was hältst du davon?
Begründe!
Maßnahmen: immer die gleiche, brutal, unmenschlich, verwerflich.
brutal, unmenschlich gut, gut gemacht TA/Folie
verwerflich
Vertiefung/Reflexion
— „Bist du faul?“ UG
Manchmal ... nicht immer ... wer bestimmt das?
Wer bleibt übrig?
— „Eine Maßnahme soll auch Erfolg haben!“
Diese Maßnahmen bringen keinen Erfolg. Wer
geschlachtet ist, kann sich nicht ändern.
— Erkenntnis:
Mit brutalen Mitteln erreicht man keine TA/Folie
Verbesserung
Transfer/Wertung
— Was meinst du? Warum hat Erich Fried dieses Gedicht UG
geschrieben? Provokation = Wachrütteln durch Übertreibung
— Brutale Maßnahmen werden oft hinter schönen Worten versteckt.
Beispiele aus Geschichte und Gegenwart
Unwörter ihre Bedeutung TA/Folie
Ethnische Säuberung Ermordung und
In Bosnien Vertreibung von
Endlösung der Menschen
Judenfrage
Hausaufgabe
Schüler schreiben nach der Vorlage des Gedichts von
Erich Fried selbst ein Gedicht mit der Überschrift „Meine
Maßnahmen“. Was kann ich tun, damit die Welt (meine
Welt) etwas besser wird?
TA/Folie
Arbeitsblatt:
Erich Fried: Die Maßnahmen
Die Faulen werden geschlachtet, die Welt wird fleißig.
Die Häßlichen werden geschlachtet, die Welt wird schön.
Die Narren werden geschlachtet,
Die Kranken werden geschlachtet,
___________________________ die Welt wird jung.
___________________________ die Welt wird lustig.
___________________________ die Welt wird freundlich.
___________________________ die Welt wird gut.
Folienvorlage:
Erich Fried: Die Maßnahmen
Die Faulen werden geschlachtet, die Welt wird fleißig.
Die Häßlichen werden geschlachtet, die Welt wird schön.
Die Narren werden geschlachtet, die Welt wird weise
Die Kranken werden geschlachtet, die Welt wird gesund.
Die Alten werden geschlachtet, die Welt wird jung.
Die Traurigen werden geschlachtet, die Welt wird lustig.
Die Feinde werden geschlachtet, die Welt wird freundlich.
Die Bösen werden geschlachtet, die Welt wird gut.
Maßnahmen Absichten, Ziel
brutal, unmenschlich, verwerflich gut, gut gemeint
Mit brutalen, unmenschlichen Maßnahmen erreicht man keine Verbesserung!
2. Unterrichtseinheit (45 min)
Die Schülergedichte „Meine Maßnahmen“ werden im Sitzkreis von den einzelnen Schülern vorgetragen. Der formale Aufbau der Gedichte, stark angelehnt an das Gedicht „Die Maßnahmen“ von Erich Fried, kann gut bewertet und korrigiert werden. Beim Inhalt der Gedichte sollte matt mit einer Wertung sehr zurückhaltend sein. Die Ziele und Maßnahmen der einzelnen Schüler sind erst einmal deren individuelle und persönliche Empfindungen und sollten unbedingt als solche akzeptiert werden. Es sollte aber darauf geachtet werden, dass die Ziele und Maßnahmen, die in den Gedichten angesprochen werden, in die täglich erlebte Welt der Schüler passen und erreichbar sind. Es geht um ihre kleine Welt, in der sie etwas verändern und verbessern können.
Eventuell notwendige Korrekturen werden dann von den Schülern zu Hause vorgenommen.
3.Unterrichtseinheit (45—90 min)
Die Schüler geben ihre überarbeiteten Gedichte im Informatikraum in die Computer ein und formatieren die Texte ansprechend.
Anschließend werden die gesammelten Gedichte mit einem Begleittext versehen und unter der Überschrift „Hauptschüler als Dichter“ an einer Pinnwand der ganzen Schule vorgestellt oder in der Schülerzeitung bzw. der örtlichen Presse veröffentlicht.
4.Unterrichtseinheit (45 min)
Einige Jahre nach dem Gedicht „Die Maßnahmen“ schrieb Erich Fried sein Gedicht „Der Besinnliche“, das sich auf die Ziele und Maßnahmen des bekannten Gedichts bezieht.
Der Lehrer stellt das Gedicht vor. Der formale Aufbau des Gedichts ähnelt stark dem Bekannten. Im Inhalt wird deutlich die Schuld des Einzelnen angesprochen, der sieht und etwas erkennt, aber es nicht schafft, auf seine Erkenntnis Taten folgen zu lassen.
Wer nichts tut, macht sich schuldig! Wer nichts tut, wird zum Werkzeug und zum Handlanger anderer!
Erich Fried
Der Besinnliche
ich will nicht mehr schlachten,
drum wird weitergeschlachtet.
Ich will nichts Böses tun,
drum tu ich nichts Gutes.
Ich will nicht mitmachen,
drum mache ich nichts dagegen.
ich will von nichts wissen,
drum ist meine Unwissenheit verwendbar.
Ich will untätig sein,
drum tut man mit mir was man will.